Es geht in die zweite Runde! Der Weg zur Antwort auf die Frage, ob ich einmal Mutter werden will ist gepflastert mit…Übung. Und solange die Frage ungeklärt ist, soll diese Übung möglichst folgenlos bleiben. Allerdings wird es mir auch im Jahr 2022 noch nicht unheimlich einfach gemacht, immer problemlos zu verhüten. Darüber, was passiert, wenn so eine Verhütungspanne passiert und ob mir die Frage nach meinem Kinderwunsch einfach aus der Hand genommen werden könnte, liest du in Charlotte Theiles und meiner Themenreihe auf Spiegel Onine und hier:
Ich kann meinen heftigen Herzschlag spüren, als mein Orgasmus abebbt und zulässt, dass meine Wahrnehmung zurückkehrt. Doch was ich dann in dem Gesicht, so nah vor meinem eigenen, wahrnehme, sind nicht die glückseligen Ausläufer eines anderen Höhepunkts. Nein, das Antlitz meines One-Night-Stands zeigt Überraschung und Sorge. Er hat sein Kondom verloren. In meiner Vagina.
Sex ist ein Selbstzweck für mich: Ich habe ihn nur zum Spaß. Eine mögliche Schwangerschaft lungerte bislang bloß als unwillkommene Spielverderberin am Rande meines Bewusstseins herum.
Aber ich frage mich, ist Sex mit Zeugungsabsicht heißer als der, bei dem immer die Zeugungssorge mitschwingt? Ist ein Orgasmus mit Hintergedanken befriedigender als ohne oder am Ende nur noch zweckdienlich? Ein Freund verriet mir mal, dieses Kommen auf den Punkt sei stressig, der Druck, der auf ihm laste, riesig und unsexy.
Für eine Liebschaft von mir ist es hingegen der absolute Mindfuck, mit dem Risiko zu spielen. Auch weil sich niemand mehr umständlich um Schwangerschaftsverhütung kümmern muss. Irgendwie kann ich beide nachvollziehen.
Trotzdem hatte ich noch nie in meinem Leben vaginalen Sex, an dem ein Penis beteiligt war, aber keine Schwangerschaftsverhütung. Jedenfalls nicht absichtlich. Ich ignoriere den Fortpflanzungsaspekt von Sex und kann die Angst davor aber trotzdem nie ganz ausblenden. Vor allem dann nicht, wenn mir die Kontrolle entgleitet.
So zuletzt geschehen vor einem halben Jahr, als der eben erwähnte, eigentlich nice One-Night-Stand damit endete, dass meine Stimmung von postkoitaler Entspannung in genervte Panik umschlug. Nämlich genau in dem Moment, als mir bewusstwurde, dass ich unfreiwillig unverhüteten Sex mit einem beinahe Fremden gehabt hatte.
Ein Fast-Fremder, der pflichtbewusst nach der nächstgelegenen Notapotheke googlete und mir noch zerknirscht und ängstlich versprach, sich das erste Mal in seinem Leben endlich auf sexuell übertragbare Infektionen testen zu lassen. Er war nicht der erste hetero Mann in meiner Biografie, der seinen Status noch nie kannte und gleichzeitig in casual sex kein Problem sah. Diese Blauäugigkeit ärgerte mich zwar – aber meine Panik vor einer unbeabsichtigten Schwangerschaft war größer.
Genervt und enttäuscht über das abrupte Ende einer heißen Nacht, flüchtete ich aus seiner Wohnung in die letzte Straßenbahn. Ich befragte Google nervös, wie viel Zeit mir für die Anwendung eines Notfallverhütungsmittels blieb – und realisierte: Die “Pille danach” würde mir nur helfen, wenn mein Eisprung noch ausstand. Ob das der Fall war, wusste ich nicht.
Am nächsten Tag kaufte ich mir das Präparat dennoch bei einer verständnisvollen Apothekerin. Ich nahm es asap ein und weiß bis heute nicht, ob ich deswegen oder aus natürlichen Gründen nicht schwanger wurde. Mein One-Night-Stand hatte mir ritterlich den gesamten Kaufbetrag für die “Pille danach” gepaypalt, anstatt der geforderten Hälfte. Was sicher nett gemeint war, hinterließ bei mir den Eindruck eines Ablasshandels.
Wir sprachen nie wieder miteinander.
Let’s talk about Verhütung
Wieso es überhaupt so weit kam? Weil es nicht trivial ist, im Jahr 2022 ein Verhütungsmittel zu finden, das zu mir passt, meiner Gesundheit nicht schadet, der Lust nicht im Weg steht und möglichst sicher ist.
Dass ich nach fast zehn Jahren Pille kein hormonelles Verhütungsmittel mehr verwenden möchte und mein Uterus nach fünf Jahren Kupferspirale keine Fremdkörper mehr permanent in sich halten kann, schränkt meine realistischen Möglichkeiten zur Schwangerschaftsverhütung massiv ein. Dabei kann ich noch von Glück reden, schließlich habe ich keinen Penis. Oder wie viele echte Alternativen zum Kondom stehen zur Verfügung?
Jedenfalls fahre ich seit der Entfernung meiner Spirale im Frühjahr 2021 in Sachen Verhütung gefühlt freihändig. Daher verzichte ich entweder des Öfteren lieber auf Penis-in-Vagina Sex oder – genau – vertraue und hoffe auf die korrekte Anwendung des Kondoms. Ich sensibilisiere, nein, ich warne neue Sexpartner vor dem ersten Mal mit mir, dass das mit dem Gummi richtig funktionieren muss.
Auch wenn ich in allen Fällen von ihnen theoretisch dahingehend Zustimmung erfahre, geht das leider praktisch nicht in jedem Fall gut (siehe oben).
Spätestens bei einer solchen Verhütungspanne frage ich mich, was passiert, wenn mir die aktive Entscheidung pro Schwangerschaft einfach abgenommen wird. Wenn auch die “Pille danach” sich nicht als Wundermittel entpuppt und ich mir die privilegierte Frage nach meinem Kinderwunsch sogar noch dringender stellen muss, als die übergriffige Verwandtschaft das tut.
Kann ich vor mir selbst rechtfertigen, eine ungeplante Schwangerschaft zum aktuellen Zeitpunkt abzubrechen? Allein aus dem Grund, dass ich mir noch nicht sicher bin, ob ich einmal Mutter werden will?
Ein aus Gründen verflossener Liebhaber sagte einmal zu mir, Abtreibung sei in seinen Augen ja eine convenience Entscheidung. Ich finde diese Aussage auf unbeschreiblich vielen Ebenen falsch und anmaßend.
Aber trifft sie bei mir eventuell genau ins Schwarze?
Letztlich denke ich, es geht nicht einmal annähernd um convenience, wenn die Konsequenzen einer Familiengründung meine beruflichen Zukunftschancen, das Vorhandensein aller meiner Ressourcen sowie die Aussicht auf die harmonische Fortsetzung meiner Partnerschaften gleichermaßen negativ betreffen. Und das alles, obwohl ich einfach nur meine Lust ausleben und genießen will.
Könnte Co-Parenting eine Strategie sein?
Mir ist bewusst, dass ich nicht die erste oder einzige Frau bin, die sich im Spannungsfeld zwischen dem Wunsch nach einem erfüllenden Sexleben und der Sorge vor dem Kontrollverlust am Ende lieber selbst befriedigt. Trotzdem finde ich es frustrierend, dass unbeabsichtigte Schwangerschaften für viele Frauen auch heute noch so ein Dilemma darstellen.
Viele von ihnen bekamen dennoch Kinder. Ich frage mich, wie das mit der Vereinbarkeit von Selbst, Ressourcen und Mutterschaft dann läuft?
Ich selbst bin polyamor und lebe in zwei Partnerschaften gleichzeitig. Könnte (Co-)Elternschaft mit mehr als zwei Personen eine Strategie sein, damit ich mein gutes Leben und meine persönlichen Ziele mit Kindern kombinieren kann? Oder kann ich durch eine polyamore Beziehungskonstellation Elternteil eines Kindes werden, dessen biologische Mutter ich nicht bin?
Im nächsten Text widme ich mich einer solchen Co-Parenting Perspektive und beleuchte ihr Potential für meine eigene Zukunft.