Was dir nie jemand sagt… über Sex ab 50
In dieser Reihe stelle ich Menschen, die 50 Jahre oder älter sind, fünf Fragen dazu, wie sich ihr Sexleben entwickelt hat.
Das 8. Interview hat mir Karl (fast 50) gegeben, der sich bei mir gemeldet hat, weil es ihm wichtig ist, als cis Mann offen über Sex zu sprechen. Das tun ihm nämlich viel zu wenige seiner Geschlechtsgenossen, weshalb er nun mit gutem Beispiel voran geht!
Wenn du auch einmal Teil der Interview-Reihe sein möchtest oder jemanden kennst, der*die interessiert ist, melde dich gerne bei mir! Los geht’s:
Welche Stichworte beschreiben Sex ab 50 für dich am besten?
Karl: “Erfüllter, bewusster, kunstvoller.”
Was fühlt sich bei Sex ab 50 anders an als mit 30?
Karl: “Ich weiss besser und ehrlicher von mir und anderen, was ich weswegen fühle und brauche. Und ich kann besser darüber kommunizieren. Die Ehrlichkeit ist größer denn je.”
Worauf willst du heute beim Sex nicht mehr verzichten?
Karl: “Dass ich mich nicht mehr vor mir selbst verstecke. Zudem auf das Geschenk des Vertrauens, dass es meiner Frau und mir ermöglicht, unsere langjährige Ehe um einen weiteren Menschen zu ergänzen.
Außerdem möchte ich auf Neugier und BDSM (ich bin Switcher) als Teil meines Sexlebens nicht mehr verzichten und auch nicht auf meine Biamorie. Der Begriff bedeutet für mich eine tiefere, emotionale Ergänzung zur Bisexualität, die ich aber aktuell nicht auslebe.”
Ist dir Sex heute wichtiger oder unwichtiger als mit 30?
Karl: “Mein Sex ist heute in Kommunikation, Gefühl, Wissen und Mut, wie er mit 30 hätte sein sollen und für mich weiterhin zentral und wichtig. Ich trauere deswegen ein wenig, weil ich mit 30 noch nicht so weit war. Aber besser jetzt als nie und ich freue mich schon auf das nächste Jahrzehnt.
Schade ist es nur um die Verletzungen, die dieser Entwicklungsprozess bei anderen und bei mir bis heute verursacht hat und für die ich nur um Verzeihung bitten kann.”
Was hat dir nie jemand über Sex ab 50 gesagt?
Karl: “Wie viel Trauer es auslösen kann, zu merken, dass sich die eigenen Erektionen verändern und dass das vermutlich auch so bleibt. Meine gehen in der Dauer und Zuverlässigkeit von „berührt werden heißt, Erektion bekommen“ seit ein paar Jahren zurück und ja, das macht was mit mir. Es nimmt mir das Gefühl von Zuverlässigkeit und Sicherheit. Besonders weil ich erst lernen musste, dass Orgasmus und Lust trotzdem noch klappen.
Allerdings liegt meine Präferenz auch nicht im penispenetrativem Sex. D.h. hin und wieder mag ich ihn, aber mein Schwerpunkt liegt woanders, sodass es an dieser Stelle leichter und schwerer gleichzeitig wurde. Keine dauerhafte Erektion zu haben, war nicht so dramatisch. Nur nervig, wenn es uns dann doch aus einem Innigkeitswunsch heraus wichitg gewesen wäre oder wir einfach Lust auf penispenetrativen Sex hatten.
Ich habe aber auch mit vom Arzt testweise verschriebenen sanften Erektionshilfe-Medikamenten keine großartig positive Erfahrung gemacht. Ja, sie wirken, haben aber bei mir auch das Körpergefühl am Penis etwas verändert und das fand ich nicht angenehm.
Meine Message an die Männer: Es ist normal, wenn sich die Erektion mit der Zeit verändert.
Und meine Message an alle: Eine Erektion hat wenig bis nichts mit Lustempfinden zu tun. Wenn es aber störend wird, dann geht zum Arzt. Idealerweise in eine andrologische Praxis.
Mein Fazit ist, dass das Leben deswegen nicht weniger lustvoll ist, aber die frühere Beständigkeit meiner Erektionen schon schön war. Ich habe das damals zu wenig an mir selbst wertgeschätzt. Danke, Körper!”
Ja, danke, Körper! Und danke, Karl! Für deine Offenheit, an mich heranzutreten und für deinen Mut, auch über die traurigen Begleiterscheinung von Sex mit zunehmendem Alter zu sprechen. Deine Messages sollten m. M. n. noch viel mehr Männer erreichen.
