Hinweis: Dieser Text kommt keiner medizinischen oder anderweitig fachlichen Beratung zum Thema Brust-OP gleich. Die enthaltenen Informationen stellen individuelle Umstände dar und werden von Laien wiedergegeben. Für eine Expertise zu schönheitschirurgischen Eingriffen, wende dich bitte an Fachpersonal.
„Wenn ich 18 bin, lasse ich mir die Brüste vergrößern.“ Ich weiß noch heute, wie überzeugt ich von diesem Vorhaben war. Ich war als Teenagerin nie besessen von meiner oberflächlichen Erscheinung. Keine riesige Klamotten- oder Make-up-Kollektion in meinem Kinderzimmer. Kein Abo von Modezeitschriften, kein Schuhfetisch. Nur die üblichen Überzeugungen, dass mein Bauch und Hintern „zu fett“, meine Schultern „zu breit“ und deshalb vor allem im Verhältnis zum Oberkörper meine Möpse „viel zu klein“ waren.
Es hat mein Leben nicht 24/7 bestimmt, aber mittlerweile ist mir schockierend klar, wie dogmatisch ich mir und meinem Körper gegenüber Intoleranz gelebt habe. Da war kein Zentimeter breit Platz für Akzeptanz oder auch nur den Hinweis auf den Gedanken, dass meine Proportionen, erträumten oder realen Hautunreinheiten oder meine Kleidergröße nicht meine Lebensberechtigung in dieser Gesellschaft darstellen sollten.
Und ich weiß, dass ich hier für viele Frauen und weibliche gelesene Personen nichts Neues erzähle. Willkommen in der Generation „dabei ab Staffel 1 von Germany’s Next T** M****.“ Genießen Sie die Aussicht vom Gipfel der Beauty-Gehirnwäsche, Sie haben Ihr Ziel erreicht.
Du glaubst nicht, dass es nicht noch schlimmer geht? Möglich, aber mir ging das alles schon weit genug. Sagt die Frau, die nach einem Tag hämischer Kommentare in der Schule zu ihrer Akne auf dem Rücken so verunsichert und unglücklich war, dass sie sich mit 14 Jahren aus „kosmetischen Gründen“ (wortwörtlich) die Pille verschreiben ließ, um sie dann 8 Jahre lang nicht mehr abzusetzen. Und klar kam die Hormonentzugsakne dann mit Anfang 20 zurück.
Immerhin bin ich nicht viel weiter gegangen, was Eingriffe in meinen Körper betraf. Richtig gehört, ich habe meine Brüste nicht vergrößern lassen und halte das heute für mich persönlich für eine gute Entscheidung. Ich hätte sonst nie gesehen, was für eine reifende Entwicklung meine Selbstwahrnehmung durchlaufen hat. Heute finde ich meine Brüste so nice, dass ich sie mit BHs höchstens noch schmücke.
Und ich muss gestehen, ich hielt das so für die allgemein „richtige“ Lösung. Sich Zeit nehmen für Selbstakzeptanz, anstatt sich anzupassen an die Erwartungen und Vorstellungen. Ich hielt das für feministisch von mir. Es hat ein unerwartetes und augenöffnendes Gespräch mit einer jungen Frau benötigt, die sich für den operativen Weg entschieden hat, um mir zu zeigen, wie privilegiert ich dahingehend bin.
Allein, dass ich überhaupt vor der Entscheidung stehen konnte, ob ich meine Möpse jetzt lieben will oder nicht, war ein Privileg. Denn sie sind gesund, immer noch normschön und vor allem so, wie ich sie an mir schon immer gewöhnt war. Und in dieser Situation sind so viel weniger Menschen mit ihren Brüsten, als ich erwartet habe. Das hat mir mein Gespräch mit Nina (28) gezeigt und vor allem, dass ich nie wissen kann, ob eine Person sich mit einer Schönheits-OP einen Traum erfüllt oder einen immensen Leidensdruck zu beenden versucht.
Jedenfalls ist die für mich einzig akzeptable Ansicht dazu heute: Welche Motivation auch immer, ich bin nicht dazu da, die Entscheidung zu bewerten. Aber jetzt möchte ich Nina zu Wort kommen lassen, damit sie von ihrer Entscheidung erzählen kann. Nachdem ich ihr eins gesagt habe: Danke für dein Vertrauen!
Nina, seit wann spielst du mit dem Gedanken, eine Schönheits-OP vornehmen zu lassen und worum soll es sich genau handeln?
„Es soll eine Bruststraffung und -vergrößerung werden und mit dem Gedanken spiele ich schon seit ca. 2 Jahren. Seitdem ich sehr, sehr viel abgenommen habe. Bestimmt 15-20 Kilo in sehr kurzer Zeit.“
Und dann ist die Brust von welcher auf welche Größe geschrumpft?
„Ich hatte früher ein sehr volles C-Körbchen und jetzt bin ich bei A bis maximal einem kleinen B.“
Also du bist eines Morgens aufgestanden, hast in den Spiegel gesehen und gedacht, das sieht anders aus als sonst?
„Ja, ich habe gesehen, dass das irgendwie alles weniger wird. Bei mir konzentrierte sich der Gewichtsverlust sehr auf den Oberkörper.“
Und hast du dich dann gefragt, nehme ich noch mehr ab und nehme das Risiko in Kauf, dass meine Brust noch kleiner wird? Wie hast du dich dann entschieden?
„Ich habe mich tatsächlich dann doch für die Gesundheit entschieden, denn im Vorfeld hatte ich meine 4. Knie-OP. Als ich noch so übergewichtig war, wurde mir schon Arthrose diagnostiziert und prophezeit, dass ich nach einem weiteren Eingriff am Knie vielleicht meine Beine nicht mehr richtig belasten könne. Daher stand außer Frage, dass ich deutlich an Gewicht verlieren musste, um weitere Risiken und eine Verschlechterung meiner Gesundheit zu vermeiden. Außerdem habe ich mich durch die Ernährungsumstellung und Bewegung rund um besser gefühlt.“
Und durch diese krasse Gewichtsabnahme haben sich deine Brüste so stark verändert, dass es für dich unerträglich geworden ist?
„Ja. Definitiv.“
Unerwartet stark veränderte Brüste und die Folgen
Schränkt dich das in deinem Leben tatsächlich ein?
„Ja. Wenn ich mit Freunden im Urlaub bin, muss ich mich in Kleidung verstecken. Ohne stützenden Bikini oder sogar ohne BH geht gar nichts. Auf einem Wellnesswochenende mit Freundinnen sollte es nackt in die Sauna gehen und das war für mich einfach nicht möglich.“
Also der Schamfaktor ist zu groß?
„Ja, aber ich kann es mir auch selber nicht gut ansehen. Natürlich möchte ich das niemandem zeigen. Aber hauptsächlich gefällt es mir selbst einfach nicht. Wenn ich in den Spiegel gucken und sagen könnte, was ich sehe, das ist schon okay, dann käme ich damit zurecht.“
Was ist es denn eigentlich genau, das sich verändern soll? Wie sieht in deiner Vorstellung das Ergebnis einer perfekt gelaufenen OP aus?
„Ich war bei mehreren Beratungsgesprächen und habe dort immer gesagt, ich hätte gerne einfach eine normale Brust. Ganz plump: Die Haut muss weg! Also nach dem Motto „Ziehen Sie mir einfach nur die Haut da weg, es soll wieder wie eine Brust aussehen!“ Und da wurde mir immer schnell gesagt, dass das bei mir nicht zum gewünschten Ziel führen wird.“
Okay, wozu wurde dir dann geraten?
„Mir wurde dann erklärt, wie groß meine Brust sein müsste, damit sie zu meiner Statur passt. Da gibt es Tabellen, in denen Werte stehen, die sozusagen die idealen Maße darstellen. Wo dann Proportionen abgebildet sind, die die Chirurgie empfiehlt. Zu dem Zeitpunkt war ich bei einem renommierten Chirurgen in Düsseldorf, der mir jede Menge Dinge an den Kopf geworfen und auch seine persönliche Meinung ins Spiel gebracht hat. Da war ich sowieso schon völlig fertig mit den Nerven. Und dann wollte der mir auch noch künstliche Doppel-D-Brüste andrehen… Das war dementsprechend weder hilfreich noch sehr feinfühlig.
Danach bin ich auch lange Zeit nicht mehr zu Beratungsterminen gegangen. Aber so gegen Ende 2020 kamen die Gedanken wieder zurück. Ich hatte in der Zwischenzeit die Gelegenheit, ein bisschen mehr Geld zurückzulegen, denn das Ganze ist ja auch nicht unbedingt günstig. Und dann habe ich mir nochmal zwei Ärzte ausgesucht. Da habe ich dann wieder meine Geschichte erzählt und die haben auch gesagt, dass eine Straffung allein meine Vorstellung so nicht treffen würde.
Sie meinten allerdings, dass wir sowieso mit dem Ergebnis auch ganz weit weg von der „operierte Brust Optik“ wären, wie man sie so aus Film und Fernsehen kennt. Aber wenn mir einfach nur Haut entfernt würde, dann wären die Brüste immer noch unterschiedlich groß und zusätzlich dann sehr, sehr klein. Auf der einen Seite wäre dann eigentlich gar keine Brust mehr und auf der anderen nur noch so ein bisschen Brust. Und dann ist da natürlich die Frage, ob das etwas ist, was ich möchte.
Der Arzt sagte mir, dass man vielleicht einen Kompromiss finden könnte. Mir wurden dann sehr feinfühlig ganz unterschiedliche Strategien vorgeschlagen. Zum Beispiel das Auffüllen mit Eigenfett und ich dachte, das klingt so schön milde und nicht so nach einem Fremdkörper in der Brust. Aber ich wurde gewarnt, dass diese Fettpolster mit höherer Wahrscheinlichkeit nicht an Ort und Stelle bleiben, wo sie meine Brust bilden, sondern sich verschieben oder möglicherweise wieder vom Körper abgebaut werden könnten. Was in meinem Fall nochmal wahrscheinlicher ist, da so überhaupt ja erst mein Problem entstanden ist.“
Das klingt dann so, als hättest du dich für Implantate entschieden?
„Ja, nach langer Überlegung.“
Und die Implantate werden dann bei dir unter den Brustmuskel gesetzt? Also die überschüssige Haut entfernt, die Implantate rein und dann wär‘s schon fertig?
„Ja, so ungefähr. In der Klinik, für die ich mich jetzt entschieden habe, wird immer zu zweit operiert, weil während der OP ja dann tatsächlich die letztliche Form der Brust, ihr Sitz, also alles Optische bestimmt wird. Da hat sich laut meinem Arzt das Vier-Augen-Prinzip bewährt.“
Was ist „ideal“?
Aber das ist ja schon ein schräger Gedanke oder? Den hatte ich bei dieser Tabelle der Idealmaße schon. Dass da dann einfach zwei fremde Menschen stehen und nach ihrem Geschmack und Ideal für dich entscheiden, was schön ist. Und dann sogar an sowas permanentem wie deinem Körper!
„Sie machen mir vorher natürlich Vorschläge, anhand derer ich sagen kann, was mir auch persönlich gefällt. Die haben mir 3D Abbildungen gezeigt und ich sollte explizit auch immer sagen, was mir nicht gefällt. Es gäbe dann immer einen anderen Weg und auch im Nachhinein die Möglichkeit bspw. eine zu große Größe wieder anzupassen. Hauptsache die Proportionen der Brust im Vergleich zum Brustkorb stehen fest und sind aufeinander abgestimmt.
Sie wollten auf jeden Fall durch den Erhalt natürlicher Abstände verhindern, dass das Ergebnis künstlich aussieht. Das ist auch der Hintergrund dieser Tabelle, die du wieder aufgegriffen hast. Das orientiert sich schon an natürlichen, durchschnittlichen Messwerten, auch wenn es gegen Ende natürlich auch in künstlich große Ausmaße gehen kann. Aber die Bemessungen an sich sind schon naturgetreu.“
Und du hast dich auch schon für ein „Modell“ entschieden?
„Ja, also ich habe erstmal explizit nach vorher/nachher Vergleichsbildern gefragt, um mal Beispiele für den Fall „Straffung plus Vergrößerung“ zu sehen. Also nicht die üblichen „Wir schieben einer 19-Jährigen mit toll stehenden Möpsen ein Implantat rein und fertig“ Eindrücke. Sondern ich wollte etwas sehen, das ein wenig näher an meiner Realität ist.
Also Bilder von den Brüsten einer Frau, die schon mehrere Kinder hatte zum Beispiel. Und sowas wurde mir dann auch gezeigt und das sah völlig anders aus, als das, was man sich so vorstellt. Man stellt sich ja so zwei sehr runde, pralle, halbe Fußbälle vor. Aber was er mir gezeigt hat, war eine ganz normale natürliche Brust, die nicht so stand, sondern normal fiel. Wie so ein Tropfen und die nicht makellos und plastikmäßig aussah, sondern ganz natürlich eben. Das einzig Auffällige war die Narbe, die von der Straffung zurückgeblieben war. Ansonsten hätte ich vielleicht getippt, dass das ein Vorher-Bild sei.“
Du hast gerade die Narbe erwähnt. Ich dachte, die machen einfach einen kleinen Schnitt und nachdem das Implantat drin ist, verschwindet die Narbe so unter dem Brustkörper?
„Normalerweise ja, im Fall einer reinen Vergrößerung. Aber bei der Straffung muss ja recht viel Haut weggenommen werden, sodass da auch eine größere Narbe bleibt, die sich wie ein umgedrehtes T von unter der Brust bis hoch zum Nippel zieht. Und dann wird um die Brustwarze herum nochmal geschnitten, weil das Ganze ja auch nach oben versetzt werden muss.“
Aber das bedeutet ja, dass du wirklich bleibende große Narben davontragen wirst. Das ist für dich dann das kleinere Übel?
„Ja. Es kommt aber auch auf den Körper und die Narbenpflege an, wie deutlich sichtbar sie bleibt. Natürlich will der Arzt sein Bestes geben, aber ich bin dann sicherlich erstmal ein halbes Jahr mit Narbenpflege beschäftigt. Allerdings soll mir das ehrlich gesagt nicht so wichtig sein.“
Vielleicht ist es danach ja auch ganz schön, sich nochmal anders und intensiv um die „neue“ Brust zu kümmern. Möglicherweise ähnlich wie Tattoos. Das sind ja auch Schönheitseingriffe in den Körper, die eigentlich nicht nötig sind und Narben hinterlassen. Und auch wenn das kein so riskantes Unterfangen ist, kümmert man sich ja danach nochmal ganz anders um die Körperstelle. Vor unserem Gespräch, als ich zugegebenermaßen noch gar keine Ahnung hatte, um welche Schönheits-OP es sich handeln wird, hatte ich auch diesen Gedanken:
Hätte es Alternativen zu einer OP geben können, die bewirken, dass du wieder zufriedener bist? Wie ein gewisses Pimpen der ungeliebten Stellen mit Körperschmuck?
„Nein, da kam nichts anderes in Frage. Ich habe ja Sport gemacht und dadurch an meinem Körper alles soweit gestrafft, wie es ging. Mit Dehnungsstreifen und ein bisschen loser Hautfalten am Bauch kann ich leben. Aber an meinen Brüsten ist eben so viel Haut, das kriege ich nicht durch Bewegung in den Griff. Die einzige Möglichkeit wäre wohl nochmal 20 Kilo zuzunehmen, damit da wieder Fettgewebe reinkommt.“
Akzeptanz oder Aktion?
Okay, das wäre die einzige Möglichkeit, um die Veränderungen wieder rückgängig zu machen, aber was ist mit Akzeptanz? Also nicht den Anblick deines Körpers verändern, sondern deinen Blick auf deinen Körper. Denn wenn ich das mal so provokant formulieren darf, könnte man die OP ja auch als den „easy way out“ betrachten.
Und stattdessen könnte man ja auch sagen, man setzt sich keinen unnötigen gesundheitlichen Risiken aus und investiert nicht sehr viel Geld in eine OP mit unsicherem Ergebnis, sondern man lebt jetzt damit und feiert, dass man dafür seinem Körper ermöglicht hat wieder gesünder zu sein. Klar lastet dann der Druck des unerreichten Schönheitsideals auf dir (was er ja eigentlich immer tut), aber hast du mal darüber nachgedacht, dem mit einer Art mental coaching entgegen zu wirken?
„Ja, ich habe natürlich darüber nachgedacht und nicht von Anfang an gesagt, dass das operiert werden muss. Ich habe mir auch selbst gesagt, dass es schon Schlimmeres gibt. Und ich bin auch trotzdem dankbar für meinen Körper und seine Leistungen. Ich bin auch nicht mehr so streng und perfektionistisch mit mir selbst, wie ich es früher war. Aber zu akzeptieren, wie meine Brüste jetzt aussehen, fällt mir so schwer, weil sie nicht mehr so sind, wie ich sie von mir kannte. Es ist so, als würde ich nicht mehr mich selbst im Spiegel betrachten.“
Obwohl du dich dafür nicht entschieden hast und du es eigentlich nur richtig machen und deinem Körper etwas Gutes tun wolltest? Du wolltest, dass es dir besser geht und dann wirst du mit einem Körperteil konfrontiert, mit dem du dich gar nicht mehr identifizieren kannst.
Wir leben in einer Zeit, in der uns auf Social Media „Selbstliebe“ und „Selbstoptimierung“ gleichzeitig gepredigt werden. Komplett gegensätzliche Strömungen und wie sollen wir damit klarkommen? Könnte es sein, dass das auch hinter deiner Empfindung steht, dass es so unfair ist, was dir passiert ist? Weil du durch das Abnehmen etwas getan hast, von dem dir eigentlich alle predigen, dass es sowas Gutes für dich selbst sei? Dass du danach gesünder bist und besser aussiehst und damit automatisch schon zufriedener wirst.
Und dann verlierst du das Gewicht und siehst dich plötzlich mit einer körperlichen Veränderung konfrontiert, die so gar nicht in dein Selbstbild und Schönheitsempfinden passt. Was können wir daraus mitnehmen? Vielleicht, dass ständige Selbstoptimierung dich niemals an einen Platz bringt, an dem alles besser und in Ordnung ist. Dass hinter dem gerade erklommenen Hügel nur der nächste, höhere aufragt. Und das ist ein Schock, den ich dir gerade ansehen kann.
Dass aus diesem Schock dann ein Trotz wird, der sich auch nicht damit zufriedengeben möchte, wie es jetzt ist, kann ich nachvollziehen. Dass du dir dann denkst, jetzt gehe ich diesen Weg auch noch zu Ende. Das Ende liegt noch nicht an der Stelle, an der ich es vermutet habe, aber hier bleibe ich jetzt auch nicht stehen.
„Anders ändert sich halt überhaupt nichts. Von C auf A-Körbchen, das ist eine Menge an loser Haut, die du nicht mit irgendwelchen Cremes oder Beauty-Produkten oder Brustmuskeltraining wieder eingefangen kriegst. Und ja, Selbstliebe ist schön und gut und ich liebe mich und meinen Körper. Auch mit dieser Brust könnte ich, wenn es nicht anders geht, irgendwann irgendwie leben. Aber bis dahin würde es mich sehr lange belasten. Und ich weiß nicht, ob ich mir 5 Jahre oder mehr psychische Belastung antun möchte, um irgendwann vielleicht einen Weg zu finden, damit zurecht zu kommen. Oder vielleicht auch nicht, diese Ungewissheit ist belastend.“
Das heißt, du versuchst auch gar nicht, so wie es anfänglich klingen mag, aus Reue etwas rückgängig zu machen. Sondern du versuchst etwas zu Ende zu bringen.
„Ja, könnte man so sagen. Ich hatte auch nie das Bedürfnis nach einer Brust-OP. Eigentlich war mein Bedürfnis nur, dass man mir die überschüssige Haut wegnimmt und alles irgendwie aussehen lässt. Für mich persönlich und gar nicht für andere. Damit es endlich wieder nach etwas aussieht, das einer Brust nahekommt.“
Kann man eigentlich mit operierten Brüsten stillen? Das habe ich mich schon immer gefragt.
„Ja, das kann man. Auch wenn der Nippel versetzt wird, bleibt alles tatsächlich funktionstüchtig. Das Drüsengewebe wird gar nicht in Angriff genommen, wenn das Implantat unter den Muskel und nicht darüber gesetzt wird.“
Das heißt auch, wenn alles gut geht, dann musst du dich in deinem Leben nicht nochmal an der Brust operieren lassen?
„Naja, man hat mir gesagt, dass die Leute im Normalfall nach 20 Jahren häufig nochmal wiederkommen. Der Schwerkraft bleibt das Implantat ja auch unter dem Muskel ausgesetzt. Auch durch eine potentielle Schwangerschaft würde sich ja mein Brustgewebe verändern und es ist nicht ausgeschlossen, dass eine Straffung danach auch nochmal wiederholt werden müsste.“
Verstehe, nach einer Schwangerschaft könnten deine Brüste dann trotz vorheriger OP erneut nochmal anders aussehen. Aber wenn ich dich richtig verstehe, dann geht es dir bei dem Ergebnis dieser OP auch nicht um das Erreichen eines idealen Vorbilds und dem ewigen Erhalt einer sehr jung aussehenden Brust. Sondern eher um die Rekonstruktion einer möglichst natürlichen und dadurch auch nicht „perfekten“ Brust?
„Ja, genau. Ich muss aber auch sagen, leicht gehangen haben meine Brüste schon immer. Ab einer gewissen Größe und dem damit einhergehenden Gewicht, geht das auch fast nicht anders. Da ist dieses Missverständnis oder nenn es Tabu, dass eine junge Brust auch immer straff ist. Ich denke, das ist bei vielen Frauen eigentlich nicht so, aber keine traut sich so richtig damit raus. Die Brust wird auch im operierten Zustand mit mir „mitaltern“ sozusagen.“
Medizinische Notwendigkeit – Eine strittige Definition?
Wie riskant ist denn eigentlich so eine Brust OP? Ist das ein Routineeingriff oder auf der Skala von Blinddarm bis OP am offenen Herzen eher beim Herzen angesiedelt?
„Also nicht medizinisch notwendige OPs werden generell als mit höherem Risiko besetzt eingestuft, eben weil es sich nicht um eine unumgehbare Maßnahme handelt, die die Gesundheit erhalten oder wiederherstellen soll. Ansonsten hängt einiges von den üblichen Risikofaktoren wie Alter, Lebensweise und allgemeinem Gesundheitszustand ab. Das ordnet mich persönlich alles nicht auf dem Level einer Risikopatientin ein.“
Zwischenfrage: „Keine medizinische Notwendigkeit“ wird behauptet, aber spielt denn die Psyche dabei keine Rolle? Du möchtest ja jetzt nicht einfach deine Brüste vergrößern, weil sie dir „nur“ zu klein sind, sondern du hast ja offensichtlich einen recht großen Leidensdruck. Ein Leiden, das dich in sehr vielen Lebensbereichen einschränkt und dir auch das Erreichen einer gewissen Lebensqualität verstellt. Wenn man jetzt mal an Wellness, Aktivitäten im sozialen Umfeld, intime Beziehungen etc. denkt. Lässt dieses Ignorieren von psychischen Aspekten beim Stichwort „medizinisch nicht notwendig“ nicht sehr tief darauf blicken, wie unser Medizinverständnis Risiken für die psychische Gesundheit marginalisiert?“
„Es gibt tatsächlich die Möglichkeit von der eigenen Krankenkasse dahingehend finanziell unterstützt zu werden. Allerdings auch nicht in allen Fällen. An Brustkrebs erkrankte Personen erhalten im Zusammenhang mit dem Krebs und den Folgen der Behandlung häufiger Hilfe. Ansonsten kann man versuchen über ein psychologisches Gutachten Unterstützung von der Krankenkasse einzufordern, was aber einen sehr hohen Aufwand in Form von Therapie und einer langen Begutachtungszeit mit sich bringt. Und das ziehe ich für mich nicht in Betracht. Ich möchte mich und meine Scham nicht vor noch mehr fremden Menschen als nötig ausbreiten und begründen müssen.
Und die Dauer der Begutachtung würde meinen persönlichen Leidensweg auch künstlich um möglicherweise Monate oder Jahre verlängern. Das muss ich mir nicht antun, diese Hürden empfinde ich da als zu hoch. Denn es ist ja tatsächlich akut, dass ich jeden Tag in den Spiegel schauen und diese Abneigung und negativen Gedanken mir selbst gegenüber ertragen muss. Das wirkt zermürbend und ist ja für mich auch schon seit ca. 2 Jahren der Fall gewesen, bis ich zu der konkreten Entscheidung zu einer OP gelangt bin.“
Also hättest du in deiner aktuellen Situation auch Angst, dich einem potentiellen neuen Partner zu nähern?
„Ja, ich hatte das auch mit meinem Expartner schon. Ich habe mich geschämt bzw. mich unwohl gefühlt, obwohl wir schon seit Jahren zusammen waren und er meine körperliche Veränderung sogar miterlebt hat.“
Was würdest du denn jetzt machen, wenn dir jemand begegnet, mit dem du gerne Sex hättest?
„Sex hätte ich einfach nicht. Das ist ausgeschlossen. Ich würde es gar nicht erst dazu kommen lassen, auch nicht, wenn ich mein Oberteil nicht ausziehen würde, never.“
Okay, das ist ein sehr krasser Einschnitt in die Lebensqualität, wie ich finde. Und das ist schon die Ebene, die andere Menschen und ihre Wahrnehmung von dir betrifft. Aber dein eigenes Verhältnis zu dir und deine Wahrnehmung von dir selbst sind ja wahrscheinlich auch schon stark beeinträchtigt.
„Ja, das stimmt. Ich habe mir zum Beispiel schon seit 2 Jahren keine Unterwäsche mehr gekauft, obwohl große körperliche Veränderung ja auch damit einhergeht, dass mir alte Kleidung nicht mehr passt.“
Also beinahe jeglicher Bereich deines Lebens, der zum Genuss gedacht ist, ist beeinträchtigt oder sogar verbaut. Egal ob Sexualität und Partnerschaft, Shopping oder Wellness, Urlaub und Unternehmungen oder einfach die unerhörte Freiheit keinen BH zu tragen… Das klingt für mich nicht nur nicht nach Luxusproblemen, sondern auch nach dem Gegenteil von Empowerment. Kein Luxus also, auch wenn du wahrscheinlich sehr viel Geld dafür bezahlen müssen wirst oder?
„Oh ja. Aber das kommt natürlich auch darauf an, wo bzw. bei wem man den Eingriff vornehmen lässt. Wie bei vielen anderen Dingen im Leben bestimmt auch hier die Lage den Preis. Ich war zuerst bei einem sehr renommierten Chirurgen, der mir sagte, dass es bei ihm ab 12.000€ losgehen würde. Das ist vergleichsweise schon ziemlich teuer, weshalb ich mich weiter umgesehen habe.
Der nächste, auch eine Koryphäe auf dem Gebiet der Brust-OPs, hat zum Einstieg direkt ungefragt auf mir rumgemalt und dabei kommentiert, welche Maßnahme er für angebracht halten und was das dann kosten würde. Eine reine Straffung bot er mir für 6.000€ an, aber damit waren wir ja noch nicht fertig. Während er auf mir zeichnete und skizzierte, warf er mir weitere Zahlen an den Kopf und rechnete sich am Ende auch auf 10.000-12.000€ hoch inklusive Techniken und Maßnahmen, die er mir weder erklärte, noch nach meiner Bereitschaft dazu fragte. Das schied für mich also auch aus.
Letztlich hatte ich dann eine Beratung in einer kleinen Privatklinik bei einem Chirurgen dessen einfühlsame Art mich ganz positiv beeindruckt hat. Unabhängig vom viel niedrigeren Preis habe ich mich dort sehr wohl und gut aufgehoben gefühlt. Es wird bei ihm um die 8.500€ kosten, was schon sehr viel weniger ist und mich deshalb erst einmal hat skeptisch werden lassen. Allerdings war allein schon die erste kostenlose Beratung so viel umfassender, inklusive 3D Animation meiner Brust, Vermessungen, Modellierungen, Fotos und er so viel deutlicher an meinen eigenen Wünschen und Vorstellungen interessiert, dass das letztlich mein Vertrauen geweckt hat.
Und mich auch zu der Überzeugung brachte, dass ich mich in dieser Klinik operieren lassen möchte, weil ich mich gleichzeitig gehört fühlte, man mir den Eindruck von Kompetenz vermitteln konnte und man vor allem meine persönlichen Grenzen respektiert hat. Da fand keine Bevormundung statt und auch nicht diese feilschende Fleischbeschau. Allein, dass man sich dort über eine Stunde Zeit für mein Erstgespräch genommen hat, hat mir das Gefühl gegeben, dass auch für den Arzt und nicht nur für mich wichtig ist, was hier passiert.“
Die Fortsetzung meines Gesprächs mit Nina gibts in My body, my choice, my beauty standard Teil 2! Du willst lieber etwas philosophischeres über Zwischenmenschlichkeit lesen? Dann empfehle ich dir Manche Begegnungen sind wie Postkarten, viel Spaß!