Ich liebe guten Oralsex. Empfangen und geben! Ob liegend, stehend, auf allen Vieren oder über einem Gesicht queenend, ich hatte tolle Höhepunkte durch die Zungen und Lippen unterschiedlichster Menschen. An einigen Stellen lese ich ab und an immer noch Berichte über ein unausgeglichenes Verhältnis der Geschlechter, wenn es um die gebende Rolle beim cis-hetero Oralsex geht (z.B. in „Sie hat Bock“ von Katja Lewina)
Und zwar zu Ungunsten eigentlich empfangsfreudiger Frauen, deren Wunsch vom Partner oral stimuliert zu werden aus Gründen der allgemeinen Abneigung abgelehnt würde. Natürlich hat keine*r ein Recht auf orale Befriedigung. Es sei aber angemerkt, dass diese Straße dann in beide Richtungen als für Durchgangsverkehr gesperrt akzeptiert werden sollte.
Nachdem das „was du willst, das man dir tu…“ – Einmaleins nun geklärt sein sollte: Ich schätze mich glücklich, dass ich noch nie die Bekanntschaft einer Person gemacht habe, die Lecken bei mir in despektierlicher Weise ablehnte, aber aktiven Oralsex von mir einforderte.
Ganz im Gegenteil habe ich vergangene männliche Sexpartner als in überwältigender Mehrheit unbedingt oral aktiv an mir erlebt. Unbedingt und vor allem ausschließlich oral (von penetrativ mal abgesehen), wenn auch nicht garantiert sehr begabt. Eine grobe Einschätzung meiner Erfahrung: Maximal 40% der Herren hat mir durchs Lecken eine gute Zeit beschert (von Orgasmen spreche ich hier noch nicht), meine Tipps & Hinweise dankend angenommen und umgesetzt. Oder nach einer Weile meine Reaktionen so gut einschätzen gelernt, dass es mir insgesamt eine Freude war.
Die anderen 60% zeichneten sich vor allem durch mangelndes Einfühlungsvermögen, fehlende Übung bzw. vor allem fehlenden Spaß an der ganzen Sache aus. Und es gibt wenig weniger Heißes, als das Gefühl vermittelt zu bekommen, man würde an Ort und Stelle Teil einer absoluten Pflichtübung. Weil Mann das ja so macht, um die Partnerin in Stimmung zu bringen aka feucht zu kriegen, und wenn es auch nur durch das Verteilen von Spucke ist.
Ohne Geduld, dafür mit Spucke
Apropos Spucke, ich erlaube mir hier einmal eine kleine mythenmetzsche Abschweifung: Ladies, kennt ihr das? Das Date war ein voller Erfolg, ihr versteht euch gut, habt ähnlich großes Interesse an- und vor allem ähnlich „unlautere“ Absichten miteinander. Es wird spannend und heiß, es passieren viele Dinge, die gefallen, die Vorfreude und Lust steigen stark an und dominieren die Entscheidung für ein gemeinsames scharfes Abenteuer.
Schon während ihr euch gegenseitig eurer Klamotten entledigt, ist da diese Gewissheit, dass ihr super feucht geworden seid. Die Aufregung, die Neugierde, die Art und Weise wie ihr knutscht, all das war sehr anturnend und die Erfahrung sagt euch, eine nachforschende Hand würde in eurem Schoß auf eine wunderbar seidige Feuchtigkeit stoßen.
Nur dass dieser Vorstoß von Fingern nicht kommt. Zumindest nicht, bevor euer aktueller Spielgefährte (hier bewusst ungegendert) sich nicht demonstrativ auf selbige oder sogar direkt auf eure Vulva gespuckt hat. Ich weiß ja nicht, wie es bei euch war, aber mir standen angesichts dieser Aktionen jedes Mal Fragezeichen der Perplexität ins Gesicht geschrieben.
„Ähm, ich bin schon derbe nass, fühl doch einfach erstmal?!“ will ich mich jedes Mal entrüsten und bin doch zu überrumpelt. Es mag eine dumme Angewohnheit von mir sein, aber ich liebe diesen anerkennend-überrascht hochgezogene Augenbraue, wenn ein Typ meinen Wasserstand entdeckt. Ich meine zu beobachten, dass dieser Augenblick uns beide total anmacht. Mein Körper, der unter anderem eben über meine Vulva und Vagina kommuniziert, wie viel Bock ich gerade habe.
Wieso nehmen mir diese Männer den Genuss an diesem Moment? Aus falsch verstandener Pornoetikette? Oder sogar aus Angst zu entdecken, dass ich eben noch nicht feucht, ergo noch nicht genug angeturnt bin? Natürlich kann es auch stark von der Tagesform oder individuellen Person abhängen, wie deutlich oder eben nicht sich eine vaginale Lubrikation einstellt.
Doch wage ich hier einmal zu behaupten, dass Frau sich da ganz gut selbst kennen bzw. einschätzen könnte und im Falle einer Vorliebe für externe Unterstützung beim Gleiten höchstwahrscheinlich ein Gel, Kokosöl oder ähnliche Mittelchen zur Hand haben könnte. Bzw. nach eben solcher Unterstützung verlangt, anstatt still und stumm zu erwarten, von ihrem Gegenüber angespuckt zu werden.
Ein Schelm, wer bei dem Ganzen die Vermutung hegt, dass es auch ganz bequem ist, die Pussy einfach mal direkt zu „schmieren“. Anstatt feststellen zu müssen, dass man erst noch etwas mehr Zeit und Energie in die Luststeigerung ihrer Besitzerin stecken müsste, bevor es vor allen Dingen zu penetrativer Action kommen könnte. Ich persönlich fühle mich jedenfalls (albernerweise) ziemlich gekränkt, wenn einfach davon ausgegangen wird, man müsste mich erst „schmieren“.
Ich bekomme jedenfalls nicht das Gefühl in meiner Lust wahrgenommen zu werden. Einmal ganz davon abgesehen, dass ich den Einsatz von Speichel ab einer gewissen Menge auch schlicht eklig finde. Und vor allem unnötig eklig, meine Fresse. Kann er* ja nicht wissen? Völlig richtig. Daher fragen, bevor gespuckt wird, nennt man auch Konsens einholen. Abschweifung Ende.
Mieser Oralsex macht doppelt unglücklich
Wir waren bei den falschen Motivationen für Oralsex. Und ich behaupte, dass es immer die falsche Entscheidung ist, wenn beim Sex etwas nicht aus Leidenschaft, Freude oder Neugier passiert. Denn das sind alles Motoren der Freiwilligkeit & Einvernehmlichkeit. Vorschrift und Pflichterfüllung klingen für mich ganz anders. Außerdem lässt das Ergebnis halbherziger Aktionen im besten Fall „nur“ eine*n gelangweilte*n Empfänger*in zurück.
In einem schlechteren Fall aber werden (vor allem bei Menschen mit Vulva) Selbstzweifel bis hin zu Ängsten geweckt, die sich u.a. so anhören können (ich verwende hier Pronomen im Maskulinum, die aber beliebig durch weitere ersetzt werden könnten):
„Es macht ihm keinen Spaß, ich rieche/schmecke bestimmt unangenehm.“
„Ihm gefällt bestimmt nicht, wie ich aussehe. Er hat bemerkt, dass meine Vulvalippen so anders aussehen als die in den Pornos…“
„Ich glaube, er ist komplett lost, aber ich weiß nicht, wie ich ihm deutlicher machen kann oder darf, wo ich es mag. Der fühlt sich dann bestimmt wie ein totaler Versager.“
„Shit, ist meine Periode auch wirklich schon vorbei? Es ist schon Tage her, aber vielleicht ist da doch noch was? Ich hätte mich noch ausgiebiger duschen sollen…“
„Es sind die Haare/Stoppeln, er ekelt sich wahrscheinlich, weil ich nicht frisch rasiert bin. Vielleicht hätte ich das vorher sagen müssen.“
„Oh nein, so dauert es zu lange bis ich kommen könnte… Das kann ich ihm nicht so lange zumuten.“
Das war nur eine Auswahl der Klassiker gedanklicher Konflikte, die sich durch offensichtlich halbherzige orale Action auslösen lassen. Und ich bin weit davon entfernt an dieser Stelle Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Nicht selten fällt die Entscheidung dieses Sorgenkarussell, das eh jedem Höhepunkt komplett im Weg steht, lieber zeitnah durch einen vorgetäuschten Orgasmus oder ein „Ich will dich jetzt“ zu beenden.
The famous big fat fake OH
Auch interessant: Das Schreckgespenst „vorgetäuschter Orgasmus“, medial häufig als intrigante Farce der Frau inszeniert, die es zu erkennen, zu vermeiden und zu demaskieren gälte, da der Gipfel der möglichen Beleidigung eines Liebhabers… Ich sage, bitte lasst ihn in Ruhe!
Natürlich wäre es super, wenn es ihn als Phänomen vor allem nicht in dieser Breite gäbe. Allerdings bezieht sich meine Wunschvorstellung hier nicht auf eine „jeder Orgasmus hat Ehrlichkeitsgarantie“ – Egofantasie, sondern auf das Leben in einer Gesellschaft, die es nicht als Defizit abstempelt, keinen Orgasmus zu haben oder hervorrufen zu können.
Solange wir in einer Welt leben, in der es sich so anfühlt, als wäre ein fake Höhepunkt der sicherste und unkomplizierteste Ausweg aus einer sexuellen Situation, in der ich mich nicht (mehr) wohlfühle, solange sollte mir dieser Ausweg auch zugestanden werden. Das tatsächliche Problem ist nicht, dass ich nur so tue, als würde ich kommen. Das tatsächliche Problem ist, dass ein offenes „Stopp“ oder „So komme ich nie“ als verletzend oder potentiell zu riskant betrachtet werden, weil Beschämung und Zurückweisung des Gegenübers auf diese Sätze draufgebügelt werden.
Wenn dann noch dazu genommen wird, dass die damit einhergehende Scham so sehr aufgeblasen wurde, dass sie (vor allem in Bezug auf Männer und männlich gelesene Personen) einer Beleidigung und völligen Diskreditierung hinsichtlich der sexuellen Fähigkeiten gleichkommt, erkennt man sie plötzlich: Die mögliche Bedrohung, das potentielle Risiko, das für viele weibliche (gelesene) Personen in einer offenen und ehrlichen Rückmeldung über „sexuelles Versagen“ steckt.
Natürlich gipfelt so eine Zurückweisung nicht automatisch in einer körperlichen Auseinandersetzung. Aber psychischem Stress durch Konflikt und verbale Gewalt will sich auch keine*r freiwillig aussetzen. Vor allem nicht in so einer vulnerablen und ungeschützten Situation. Schließlich ist man während dem Sex häufig zu zweit allein und außer Reichweite schneller Hilfe sowie unbekleidet und möglicherweise sogar nicht fähig sich der Situation zu entziehen. Quasi die Komfortzone von Grenzüberschreitungen. Was ist gegen all das ein schnell dahingestöhntes „Oh!“, ein zufrieden aussehendes zwischen den Beinen auftauchendes Gesicht und fertig ist der Lack?
Also, solange eine ausbleibende Befriedigung (zumindest die nach außen hin wahrnehmbare) in potentiell gefährlicher Egoverletzung endet, bestehe ich darauf, dass der vorgetäuschte Orgasmus unangetastet bleibt. Denn aus Spaß an der Lüge wurde er wirklich nicht erfunden.
Auf keinem „Mädelsabend“ werden regelmäßig die besten Geschichten á la „Den hab ich ja mal so richtig mit meinem „Orgasmus“ verarscht! Der dachte wirklich, ich komme so!“ ausgetauscht. Meiner Erfahrung nach wird eher verschämt oder zumindest nur still und leise zugegeben, dass sie* es auch schon getan hat. Und das erst auf meine Nachfrage hin. Und nur, wenn kein betreffender Mensch in Hörweite ist.
Mehr Mut zum „Manualverkehr“!
Was tun also, wenn Oralsex spenden eher nicht bis absolut nicht dein Ding ist, du aber bspw. eine Person mit Klitoris, Vulva und dem ganzen Programm gerne eine Runde verwöhnen würdest? Bitte denk nicht sofort und ausschließlich an Sexspielzeug, das für sich allein herumvibriert, sondern zuerst an deine Hände! Sie stehen in der Fähigkeit damit dein Gegenüber zum Orgasmus zu bringen deiner Zunge in nichts nach, wenn du dich mit ihren Möglichkeiten befasst, dich traust zu üben und sie mithilfe von Rückmeldung einzusetzen.
So viel weniger Menschen aus meiner „sexual history“ haben Begeisterung oder überhaupt Versuche an den Tag gelegt, mich mit ihren Fingern zu bespaßen. Dabei ist die Auswahl an Techniken und Einsatzmöglichkeiten von Händen so viel vielfältiger als nur das „Fingern“ an sich. Außerdem halte ich den „Manualverkehr“ sogar für einfacher und weniger körperlich anstrengend als das Lecken.
Finger tasten, streicheln, massieren in unterschiedlichen Geschwindigkeiten, mal mit mehr mal weniger Druck so viel filigraner und müheloser als der Zungenmuskel. Von der Kraft-Ausdauer in Oberarmen vs. Zunge ganz zu schweigen. Liegt der Schlüssel zum Orgasmus mit Klit doch vor allem in der Beständigkeit der gerade richtigen Stimulation.
Dazu kommt, dass die meisten Menschen in der Regel zwei Hände und Arme, aber nur einen Mund haben. Bedeutet, Vulva und Vagina können gleichzeitig bespielt werden, ohne dass ein seltsam riechendes Spielzeug unangenehm gegen’s Kinn vibriert. Generell können Hände gleichzeitig im Einsatz sein und mit Toys umgehen. Und ganz egal welches Kunststück sie gerade ausformen, der Blick auf oder sogar die direkte Nähe zum sprechenden Gesichtsausdruck der Genießenden ist immer möglich.
Auch der Atem und ein möglicherweise vor Erregung ansteigender Rhythmus kann problemlos verfolgt und als Indikator dafür genutzt werden, ob und wie welche Bewegung gefällt. Auch Knutschen ist währenddessen möglich. Und nicht zu vergessen die tief ineinander versinkenden Blicke beim Orgasmus…Ich schweife ab.
Hände gut, alles gut
Hände können die Vagina außerdem in angenehm reduziertem Volumen ausfüllen (z.B. nur ein Finger) oder lustvolle Ausmaße annehmen, die kaum ein Penis verkörpern kann (Fisting). Mit ein wenig anatomischem Wissen um die G-Fläche ist es darüber hinaus möglich mit der Hand Körperreaktionen auf dem Spektrum der weiblichen Ejakulation, das „Spritzen“ bzw. „Squirting“, auszulösen. Und zwar bei viel mehr Inhaber*innen einer Vagina als allgemein angenommen wird.
Auf die Frage hin, ob Oralsex nicht eigentlich die Hauptsache ist, die Menschen mit Klitoris genießen. Ob Hände nicht viel zu grob sind, nicht viel zu leicht Schmerzen verursachen/ verletzen könnten (wurde ich bereits mehrfach von Männern gefragt), kann ich nur zurückfragen: Was denkt ihr, womit die meisten masturbieren? Ja, das tun wir und auch wenn entsprechende Werbung manchmal so klingt, längst nicht jede*r benutzt dazu (ausschließlich) Sextoys.
Die Vulva ist es häufig so viel gewöhnter von Händen berührt zu werden als von Lippen. Ja, genau das macht den Hauptreiz beim Oralsex auch aus. Aber das macht es eigentlich auch genauso absurd, dass manuelle Stimulation im Repertoire zumindest der allermeisten meiner Sexpartner*innen überhaupt keine Rolle spielte. Und klar, je weniger Übung du damit hast, desto länger könnte es erst einmal dauern, bis du dein Können etablierst. Aber diese Übung könnte sich lohnen. Denn lass dir bitte mal eins gesagt sein: Mieser bis maximal durchschnittlicher Oralsex und freiwilliger Verzicht auf echte Orgasmen, um dieses Elend zu beenden, ist wirklich keine schöne Alternative.
Handjobs von anderen oder einem selbst sind allerdings auch dann am schönsten, wenn sie zu einem Happy End führen. Was passiert, wenn das – wie bei mir – beim Masturbieren nicht mehr der Fall ist und was ich dagegen unternommen habe, kannst du in „Masturbation remastered“ nachlesen.