Letzte Nacht habe ich von uns geträumt. Es war so schön, ich war richtig zufrieden mit meiner Fantasie. Weil sie sich ganz zurückgehalten und nichts Übertriebenes, Weirdes oder Angsteinflößendes in meinen Traum gestreut hat. Realismus ist auch Kunst.
Du bist der verbotene Garten, den Zutritt verwehrt mir die Moral der Schlampe in mehrfacher Ausprägung. Dass die Gründe gut sind, bedeutet nicht, dass ich sie gutheiße. Selbst im Traum ließen sie mich nicht ganz in Ruhe, weshalb mein Hirn dir die Führung überließ. Die passive Frau hat sich am wenigsten vorzuwerfen. Vielleicht ist diese Rolle im Dating-Theater deshalb heute noch so beliebt, obwohl das Stück schon vor Urzeiten Uraufführung hatte.
Traum und Raum
Aber zurück zum heißen Hauptakt: Interessanterweise war mir die Wohnung völlig unbekannt, in der wir uns trafen. Im Traum fühlte es sich so an, als wärst eindeutig du der Gast, aber ich dort auch nicht Zuhause. Vielleicht kann man Geborgenheit nicht träumen.
Es war ein warmer Tag, wir hatten Geschäftliches zu besprechen. Während ich einen Blick in die Unterlagen werfe, bewege ich mich langsam auf den kühlsten Raum der Wohnung zu, den Schlafbereich. Dort ist es dunkler und du folgst mir mit Widerwillen, den ich schwer an meinen Beinen fühlen kann, wie ein Kleinkind, das sich an mich klammert. Ein kläglicher Versuch den Weg der Erwachsenen aufzuhalten.
Ich lasse mich aufs Bett fallen, den Blick immer noch im Papierkram verkantet. Dann passieren gleichzeitig zwei Dinge: Ich realisiere, dass es unangebracht ist sich vor einem geschäftlichen Gast auf dem Bett niederzulassen, was bedeutet, dass ich mich in deiner Gegenwart sehr ungezwungen fühle. Und ich spüre, wie die Matratze neben mir unter dem Gewicht deines kräftigen Körpers nachgibt, der sich entschied, diese Grenze doch zu überschreiten.
Dass hier weder dein noch mein Verstand am Werk waren, ist offensichtlich. Ich drehe meinen Kopf nach rechts, habe mir vorgenommen einen neckenden Spruch loszulassen, den ich selbst noch nicht weiß, da küsst du mich. Dein Sprung ins Bett und dein Gesicht, das in meinem landet, waren alles eine fließende Bewegung.
Raum und Zeit
Das Knutschen dauert nicht lange, ganz allgemein lassen wir uns kaum Zeit. Wir ziehen uns nicht einmal mehr aus, als es nötig ist. Unser Sex ist roh und gewaltig, es fühlt sich an als hätten unsere Körper uns einfach übermannt. Da kann kein Konsens sein, wo es keine Entscheidung gab. Unsere Hüften sind Magnete, sie stoßen sich ab, sie ziehen sich an. Du lebst monogam, ich tu, was ich kann. Es ist fast so schnell vorbei, wie es begann. Dein Orgasmus ist heftig, meiner gleich nebenan.
Ich finde mich auf der Toilette wieder, wir haben nicht verhütet. Im Traum sehe ich das sportlich, aber mit Sorge. Ich höre dich in der Küche rumoren. Du öffnest den Kühlschrank, ich denke, well then … make yourself at home. In der Weise, wie du dir ein Brot schmierst, meine ich, deine Wut auf dich selbst zu hören. Auf mich, auf uns, auf deine Freundin und die ganze Liebe.
Zeit und Punkt
Das war alles nicht richtig, aber ein Traum hat keine Kalorien. Ich werde nicht schwanger, wir werden nicht krank, du wirst nichts zu beichten haben. Reueloser Genuss. Alle Hoffnung liegt auf der light Variante und dass auch sie satt macht. Nachhaltig den Heißhunger bannt. Auch wenn Reue und Treue zum Großteil kongruent sind. Auch wenn der diet culture Ritterschlag „keine Kalorien“ meistens bedeutet, dass etwas einfach nicht nahrhaft ist. Nahrung hat keine Moral und Träume keine Konsequenzen. Will sagen, genieß dein Butterbrot.
Moral und Konsequenz sind solche Spielverderberinnen. Selig sind die moralisch Armen aber auch nicht. Denn wahrscheinlich leben sie nicht nur ihren Sextraum, sondern durchleben auch den ein oder anderen Albtraum.
Punkt… um.
Es regnet. Und wessen Schuld ist das? „Schuld ist wie das Wetter“, denke ich dort auf dem Klo, „Für eine zuverlässige Vorhersage fehlt es oft einfach an Daten.“ Wer hat wie viel Schuld und woher kommt sie? Ist sie ansteckend? Kann man sie wirklich tilgen oder gehorcht sie den Gesetzen der Thermodynamik? Ach egal, die Schuldfrage im Traum ist auch nur ein vertendelter Sonntag.
Ob wir unser Geschäft noch abschließen, träume ich nicht. Alles scheint zwar kapitalistisch motiviert, aber der Kapitalismus ist nicht alles. Insgesamt ein schöner Traum, 10/10, gerne wieder.
Traumdeutung in allen Ehren, aber dich dürstet es jetzt nach realeren Problemstellungen als erträumter Untreue? Dann schau dich doch mal unter den Erkenntnissen einer unfreiwillig Exklusiven um.