Hinweis: Dieser Text kommt keiner medizinischen oder anderweitig fachlichen Beratung zum Thema Verhütung gleich. Die enthaltenen weiterführenden Links können helfen, geeignete Beratungsstellen ausfindig zu machen.
Am liebsten hab‘ ich ja Sicherheit. Safety first, worries second. Der doppelte Boden ist in meinen Augen vor allem in Sachen Sex ganz großes Pornokino. Und auch sonst: Lieber doch noch ein zweites Mal checken, dass mein Telefon nicht in der hinteren Hosentasche steckt (in die vorderen passt es ja nicht rein, schließlich trage ich Hosen, die für Frauen designt wurden), bevor ich selbige runterziehe, um mich aufs Klo zu setzen. Vorsorge ist mir lieber als Nachsorge und deshalb fand ich mich dieser Tage auch mal wieder in der gynäkologischen Praxis meines Vertrauens ein.
Im Laufe der routinierten Untersuchung, zu der auch immer ein Checkup meines permanenten Verhütungsmittels zählt, wurde mir plötzlich folgendes verkündet: „Ihre Spirale ist verrutscht. Das ist aber ungünstig!“ „Ungünstig“, dachte ich, „die Untertreibung des noch jungen Jahres.“ Und etwas ähnliches muss auch der Teil meines Gesichts ausgedrückt haben, der nicht von meiner Maske verdeckt war, denn sofort wurde ein „Ich kann aber nichts erkennen“ hinterhergeschickt.
Vollends beruhigen konnte mich diese ultraschallige Einsicht allerdings nicht, denn ich hatte still für mich bereits weitergezählt. Das letzte Mal offenbar ungeschützter Sex mit meinem Freund war nur ein paar Tage her und mein Eisprung sollte laut Kalender noch am selben Tag erfolgen. Ein (zugegebenermaßen recht wenig empathischer) Teil meines Hirns dachte: „Hey, wann erlebt ein Mensch schonmal bewusst genau den Zeitpunkt mit, an dem er*sie ungeplant schwanger wird?! Eine außergewöhnliche Situation!“ … Ja, und eine, in die ich vielleicht sehenden Auges hineinstolpere, ohne dass ich mir mehr selbst helfen kann. Richtig nice…
Mein Verhütungsmittel ist hormonfrei
Ich war irritiert. Seit Anfang 2016 war die Kupferspirale das Verhütungsmittel meiner Wahl. Zuvor hatte ich ca. 8 Jahre lang die Pille genommen, also hormonell verhütet. Bis ich mich eines schönen Sommertages – ich weiß überhaupt nicht mehr, warum – dazu entschied, sie mitten im ewigen Nicht-Zyklus abzusetzen. Den angebrochenen Streifen sowie den Rest der Packung entsorgte ich. Meine Frauenärztin ließ sich ihre Überraschung nur leicht anmerken. Es habe doch so gut funktioniert oder hatte es Beschwerden gegeben? Nein? Nein. Einmal abgesehen davon, dass ich weder wusste, wie sich ein echter Zyklus bei mir anfühlt, ob diese sehr träge bis nicht existente Lust tatsächlich „halt einfach mein Stil ist“, dieses damals aktuelle Körpergewicht ein reines Produkt meiner sonstigen Lebensumstände und, und, und.
Jedenfalls saß die Patientin nun dort auf diesem Stuhl und wollte trotzdem verhüten. Und zwar nicht allein mit Kondom. Für alle Fälle eben und für meinen Genuss am Sex. Für den Stundenplan, den ich für mein Leben belegt hatte und für alle die Fragen, die eben erst später beantwortet werden sollten. Nun denn, Alternativen zur hormonellen Verhütung waren ja zahlreich vorhanden.
Just kidding.
Die praktisch einzige Alternative, die meine Ärztin mir anbieten konnte, war also jene Kupferspirale, die sie allerdings aufgrund des Fremdkörpers im Uterus und durch das „Rückholfädchen“, das durch den Muttermund ragt, als riskant in Bezug auf bakterielle Infektionen betrachtete. Sie war zurückhaltend einer jungen Frau ohne Kinder zu dieser Methode zu raten, da solche Infektionen im Ernstfall zu Unfruchtbarkeit führen könnten. Die Forschungslage in Bezug auf die Frage, ob die Kupferspirale & -kette für junge Frauen mit noch unabgeschlossener Familienplanung weniger gut geeignet sei als eine hormonelle Methode, sieht heute etwas besser aus. Die Zurückhaltung meiner und weiterer Ärzt*innen hinsichtlich der Eignung dieser Verhütungsmittel für junge Frauen wird heute als unfundiert betrachtet.
Sie blieb kritisch und ich alternativlos. Mit meiner entschiedenen Ablehnung gegenüber der Option meinem Körper künstlich lokal oder global, dauerhaft oder situationsbezogen zu Verhütungszwecken Hormone zuzufüttern, blieb mir nichts anderes übrig als Kupfer & Eingriff. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich nur die Wahl zwischen der quasi lockeren Einführung der Spirale in meinen Uterus vs. der deutlich festeren, aber auch deutlich schmerzhafteren Verankerung einer Kupferkette an der Innenseite meiner Gebärmutter. Zu letzterem hatte ich den krassen Leidensbericht einer Freundin noch gut im Ohr, Erfahrungen mit einer Spirale hatte in meinem Umfeld noch keine gemacht. Also stand meine Entscheidung fest. Und fest und sicher saß mein kleines wunderbares Helferlein für die nächsten 3 Jahre.
Ich war glücklich. Ja, ich war leicht anfälliger für vaginale Infektionen geworden und ja, auch meine Periode verstärkte sich in Blutung, Dauer und Krämpfen. Aber es blieb alles im Rahmen und mein Freund und ich beanspruchten den Schutz ordentlich, ohne dass ich jemals nervös in den Kalender geschielt hätte.
Dann stand 2019 der erste Wechsel an, um zu gewährleisten, dass die Schutzwirkung weiterhin aufrechterhalten wurde und auch damit war ich happy. Glücklicherweise zähle ich bisher zu denjenigen, die wenig bis gar keine Schmerzen bei diesem Eingriff verspüren. Ich finde zwar, ein Spreizwerkzeug im Muttermund fühlt sich… falsch an, aber aushaltbar. Leider sieht für viele andere Frauen und gebährfähige Menschen die Welt dahingehend ganz ganz anders aus. Schmerz bis hin zur Ohnmacht und der nachvollziehbaren Entscheidung diese Prozedur nicht mehr mit und an sich machen zu lassen. Allerdings bleibt dann immer noch eine Frage offen: Was gibt’s sonst?
Selten, aber möglich: Die Spirale verrutscht
Aber jetzt befinden wir uns am Beginn des Jahres 2021 und mein letzter TÜV ergab, wie schon beschrieben, das Pessar hat sich bewegt und zwar in Gefilde, in denen es maximal noch hübsch aussieht, aber nur noch minimal (durch Restablagerungen von Kupfer) verhindert, dass sich eine potentiell bald befruchtete Eizelle in mir häuslich einrichten kann. Demnach war klar, so bleiben kann das nicht. Es folgten eine Reihe Termine zur weiteren Beratschlagung, Entfernung der alten und zum Einsetzen einer neuen Spirale, nachdem ich mich dazu entschieden hatte, der Methode eine letzte Chance zu geben.
Warum nur noch eine? Weil die Spirale an sich, aber viel mehr das Einsetzen durch medizinisches Fachpersonal viel Geld kostet. Weil meine Krankenkasse (und übrigens auch die anderen nicht) mir dieses Geld nicht erstattet. Und vor allem, weil mir bisher niemand mit Sicherheit die Frage beantworten konnte, warum bzw. wie es überhaupt zum Verrutschen des Pessars gekommen ist und wie es erneut dazu kommen könnte. Und zwar wie in meinem Fall, ohne dass ich es bemerkte. Was übrigens den Puls pushenden Nebeneffekt hatte, dass ich gar nicht genau weiß, über welchen Zeitraum der Schutz durch mein Verhütungsmittel nicht (vollumfänglich) gegeben war.
Krampfende Bewegungen der Gebärmutter während der Periode könnten ein Auslöser gewesen sein und wenn man DAS „einhalten“ könnte, glaub mir, ich würd’s versuchen. Aber auch motorische Einwirkung beim Sex oder letztlich jeglicher vaginal eingeführte Gegenstand könnten laut meiner Ärztin als Ausgangspunkt der, Entschuldigung, Abwärtsspirale nun nicht mehr ausgeschlossen werden. In der Praxis hieß es mir gegenüber, eigentlich sollte vaginale Penetration jeglicher Art keine negativen Auswirkungen haben (ist ja auch für diesen oder ähnliche Fälle konzipiert oder?). Dennoch wird mir von der Nutzung von Tampons während der ersten Periode bei/nach dem Einsetzen der Spirale abgeraten. Die Informationslage kommt mir nicht ganz stringent vor.
Alternativlos Präservativlos
Ach, und apropos Forschung: Dass es eine Menge Aufholbedarf in Sachen alle Geschlechter gleichermaßen betreffende und befähigende Verhütungsmethoden bzw. Verhütungsmittel für Männer und Menschen mit Penis gibt, wird mir spätestens jetzt bewusst. Als ich mir die Alternativen vor Augen führte, die mir noch übrigbleiben, sollte mein letzter Versuch mit der Kupferspirale scheitern, standen da:
Kalendermethode, nur Kondom, Sterilisation.
Über mein hohes Sicherheitsbedürfnis habe ich bereits gesprochen. Ich habe dann doch zu viele Kalenderkinder und Kondomnachwuchs in meinem Bekanntenkreis, als dass ich mich dauerhaft mit diesen Strategien entspannt zurücklehnen und Sex tatsächlich genießen könnte. Und was die dritte Möglichkeit anbelangt… Die Menschheit hat schon vor 20 Jahren das menschliche Genom aufgedröselt und kann jetzt gezielt und kontrolliert Gene editieren. Aber ich soll mich mit derselben alten existenziellen Frage quälen, die hunderte von Generationen vor mir schon ins Zweifeln brachte: Kann ich… oder ist dann plötzlich alles anders?
Verhütungs-Gap
Meiner Meinung nach sollte sich eine potentiell gebährfähige Person heute entscheiden können, ob sie schwanger werden und nicht erst, ob sie es bleiben möchte. Und ich sehe nicht, dass dafür alles Menschenmögliche getan wird. Stattdessen ruhen wir uns auf einem Verhütungsmittel aus, das zum ersten Mal in den 1960er Jahren auf den Markt kam. Und das sich nur an Menschen mit Uterus richtet. Wie auch alle weiteren bisher zugelassenen Methoden mit Ausnahme des Kondoms.
Und der Vasektomie, wobei für mich persönlich an dieser Stelle derselbe Vorbehalt gilt, wie in Bezug auf die weibliche Sterilisation. Auch wenn eine Vasektomie laut Profamilia durchschnittlich weniger Geld koste, einen medizinisch weniger riskanten und weniger aufwendigen Eingriff darstelle und dabei mit höherer Wahrscheinlichkeit reversibel sein könne.
Petition für Fortschritt in Verhütung online!
Aber glücklicherweise bin ich weder die Einzige noch die Erste, die dieser Verhütungs-Gap stört. Vor wenigen Tagen ging auf change.org eine Petition der beiden Engagierten Jana Pfenning und Rita Maglio von der Initiative Better Birth Control online, die Einsatz und Gelder und überhaupt Aufmerksamkeit, Bewegung & Fortschritt im Thema geschlechtergerechte moderne Empfängnisverhütung fordert. Und weil das alles wirklich nicht mehr länger warten kann, geht es hier zur Petition:
Verhütung für alle besser machen
Sex, aus dem eine Schwangerschaft resultieren kann, aber nicht soll, ist kein exotisches Luxusproblem, sondern der Alltag vieler Menschen in Deutschland. Immer mehr von uns sind und werden offen für Alternativen zu hormoneller Verhütung und Verbesserungen der aktuellen Situation.
Es geht hierbei nicht darum vorzuschreiben, wer mit was wie viel verhütet oder nicht. Es geht darum, eine tatsächliche Wahl zu haben. Und zwar nicht die zwischen Regen oder Traufe, schlimmen Nebenwirkungen oder praktischer Unwirksamkeit. Stattdessen für jede*n die Freiheit zu wählen und zu wissen, was es zu wählen gibt.
Du hast auch das Gefühl auf dem Gebiet der Verhütung gibt es keine wirklich guten Alternativen zu deiner Situation? Feel you. Noch habe ich da leider auch keine weiteren guten Tipps. Dafür habe ich meinen Erfahrungsbericht dazu geteilt, wie ich meine Periodenscham in den Griff bekommen habe.